Dokumentation des Linzer Jacob Böhme Archivs
Das auf insgesamt drei Jahre – vom 1. Juli 2001 bis zum 30. Juni 2004 – angelegte Projekt „Bestandsaufnahme und Dokumentation des Linzer Jacob Böhme-Archivs“ wurde von der Biblioteca Philosophica Hermetica, Amsterdam (BPH) und der Internationalen Jacob Böhme-Gesellschaft, Görlitz (IJBG) gemeinsam getragen.
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Gegenstand dieses Projekts war das sogenannte Linzer Jacob Böhme-Archiv, eine ausgedehnte, heute auf insgesamt vier Standorte verteilte Sammlung von handschriftlichen und gedruckten Dokumenten aus dem 17. bis 20. Jahrhundert. Den Grundstock dieses Archivs bildeten die vom ersten Böhme-Verleger Abraham van Beyerland bereits ab den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts gesammelten Böhme-Handschriften und frühen Böhme-Abschriften, ein Bestand, der sich in den folgenden Jahrhunderten kontinuierlich um weitere Dokumente, vor allem um eine umfangreiche Korrespondenz der „Engels-Brüder und -Schwestern“, einer an den Vorgaben Johann Georg Gichtels und Johann Wilhelm Überfelds orientierten radikalpietistischen Gemeinschaft, vermehrte. Im Verlauf seiner Geschichte wurde das Archiv mehrmals verlagert, zu Beginn des 20. Jahrhunderts befand es sich in Linz am Rhein. Dort wurde es im Jahr 1941 von der Gestapo beschlagnahmt und nach Berlin gebracht, wo man es provisorisch verzeichnete. Gegen Kriegsende und in der Nachkriegszeit gelangte es schließlich an seine heutigen Standorte: Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften (OLB) Görlitz, HAB Wolfenbüttel, UB Breslau und BPH Amsterdam.
Ziel des Projekts, das unter der Leitung von Dr. Carlos Gilly (Basel/Amsterdam) durchgeführt wurde, war die wissenschaftliche Erschließung des Archivs, das heißt zum einen die genaue bibliographische Erfassung des Bestandes, wie er vor 1941 in Linz noch geschlossen beisammen war, und zum anderen die Dokumentation der Geschichte des Bestandes, worunter vor allem die Beschreibung der Geschichte der Böhme-Handschriften als der zentralen Bestandteile des Archivs von ihrer Ankunft in Holland bis zu ihrer Aufnahme in die Bibliotheken Wolfenbüttel und Breslau zu verstehen ist.
Gleichsam ein erfreuliches Nebenprodukt der archivarischen/bibliothekarischen Arbeit war die Entdeckung einiger unbekannter frühneuzeitlicher Handschriften. Unter ihnen ragen zwei Einzelstücke hervor: Bei dem ersten handelt es sich um eine frühe, noch aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammende Abschrift zweier Böhme-Briefe. Die Entdeckung wurde als „Exponat des Monats“ im Oktober 2002 im Barockhaus Neißstr. 30 vorgestellt. Mit ihm verfügt die Stadt Görlitz nun über ein frühes Manuskript von Böhme-Schriften. Beim zweiten handelt es sich um ein aus insgesamt 72 Blättern bestehendes fragmentarisches Manuskript mit Abschriften von bislang unbekannten Briefen Abraham von Franckenbergs (1593-1652), eines der ersten Böhme-Biographen und Verfassers religiöser Traktate. Die Zahl der bekannten Franckenberg-Briefe – im Jahre 1995 sind sie im Rahmen einer kritischen Ausgabe publiziert worden – wird mit diesem Fund um mehr als die Hälfte vermehrt.
Der Bestand des Linzer Archivs ist inzwischen im Internet zur Recherche zugänglich gemacht. Adresse: webopac2.goerlitz.de (Katalog: Linzer Jacob Böhme-Archiv)
Im Begleitband zur Jubiläumsausstellung der BPH Böhme’s Way into the World (vgl. Böhme-Bibliographie), die Ende 2007 in Amsterdam zu sehen war, werden Ergebnisse auch des gemeinsam durchgeführten Projekts präsentiert.
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Günther Bonheim
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